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Auch aus unserem OV waren Helfer im Einsatz - Irlich

Am 27.11.1983 waren 6 Helfer bei der Evakuierung beteiligt. Hier noch der bericht der Rhein-Zeitung:

Etwa 30 Irlicher

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Evakuierung Gute Laune im Betreuungszentrum

Von unserem Redakteur

Ralf Grün

 

M Irlich. Wenige Minuten vor 10 Uhr läuft im Neuwieder Stadtteil Irlich scheinbar alles so wie jeden Sonntag. Einige fahren mit dem Auto zum Bäcker, andere gehen mit ihrem Hund Gassi. Der Eindruck drängt sich auf, dass nicht jeder weiß, was die Stunde geschlagen hat. Doch das ändert sich kurz nach 10 Uhr schlagartig, als die Polizei einen Teil von Irlich abriegelt und die Gassen mit einem Mal verwaist sind. Als die geplante Evakuierung von 1000 Bewohnern etwas später als geplant geglückt ist, beginnen weiter unten am Rhein die Experten damit, die Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen.

Zu diesem Zeitpunkt sitzen Edith Walper, Werner Merkler und Hans-Peter Elberskirch längst in der Sporthalle der Realschule plus. Vor ihnen steht ein DRK-Pappbecher mit heißem Kaffee, und sie finden Zeit zum Klönen. Die drei Senioren sind ins Betreuungszentrum für evakuierte Irlicher gekommen, um gemeinsam mit anderen Betroffenen die Stunden bis zur guten Nachricht im Warmen zu verbringen. Natürlich stellen auch sie sich die Frage: Wie lange wird das Ganze wohl dauern?

Wobei Merkler und Elberskirch eigentlich da sind, um sich um Menschen wie Edith Walper zu kümmern. Für die Mitglieder der Altersabteilung der Irlicher Wehr war das keine Frage. „Es geht ja darum, dass die meist älteren Bürger hier in ungewohnter Umgebung zumindest bekannte Gesichter antreffen“, erklärt Werner Merkler.

Aus dem gleichen Grund ist Gemeindereferent Hermann-Josef Schneider da. Einen größeren seelsorgerischen Auftrag erwartet er dennoch nicht: „Ich gehe davon aus, dass es bald erledigt ist.“

Um die 30 Bürger finden den Weg in die Schule, vornehmlich ältere. Wer nicht mehr so gut zu Fuß ist, der wird kurzerhand vom DRK chauffiert. Unterm Strich entspricht diese Zahl ungefähr dem, was die Rettungskräfte erwartet haben. Die Stadt ist sogar von 100 Menschen ausgegangen. Sicher ist sicher, lautet deren Motto.

Die Halle selbst haben die Stadtväter präparieren lassen, damit der Parkettboden nicht leidet. An Inventar sind Tisch, Stühle und Pritschen vorhanden. Letztere hat das DRK aufgestellt, für den Fall, dass der eine oder andere Evakuierte müde wird. Dass die Bürger obendrein verköstigt werden, ist alles andere als selbstverständlich, erklärt Jürgen Kraus, der als Katastrophenschützer des Kreises die organisatorische Leitung des Betreuungszentrums innehat. Er kündigt neben Kaffee auch heiße Würstchen im Brötchen an, die sich die Irlicher wenig später schmecken lassen.

Elke Kölb vom Kreisgesundheitsamt erscheint gegen 10.30 Uhr im Eingang. Sie kommt gerade von der nahen Mennonitischen Gemeinde, in der zur gleichen Zeit nur eine Familie das Betreuungsangebot wahrnimmt. Ihre Einsatzweste leuchte signalgelb. Sie lächelt in die Runde: „Ich schaue nur, ob alles in Ordnung ist“ – und bilanziert im gleichen Atemzug: „Wie ich sehe, ist alles perfekt organisiert.“

Als sie das sagt, tauchen Nachzügler an den Tischen für die Anmeldung auf. Offenbar hat die Polizei die Bürger bei ihrem Kontrollgängen aus der Wohnung gebeten. Sie melden sich kurz an und gesellen sich zu denen, die schon da sind. An einem Zehnertisch laufen drei Gesprächsrunden parallel. Die Stimmung ist locker und entspannt. Am Tisch daneben studiert ein älterer Mann die Zeitung vom Samstag. Ihm gegenüber beugt sich ein jüngerer Mann über das Handy. Offenbar muss er eine wichtige SMS schreiben. Kann Evakuierung Spaß machen? Die 45 000 Koblenzer, die es am kommenden Sonntag trifft, würden das vorab sicher verneinen.

Edith Walper ficht das nicht sonderlich an. Und Angst verspürt sie auch nicht. Schließlich ist das für die 83-Jährige nicht die erste Evakuierung. Während des Zweiten Weltkrieges hat sie zudem weit Schlimmeres erlebt: „Am 3. November 1944 sind Bomben auf Irlich gefallen. Wir haben es gar nicht mehr bis in den Keller geschafft. Ich stand auf der Treppe und habe im Haus die Decke einstürzen sehen und wie sich Wände geteilt haben. Mir ist damals nichts passiert.“ Gut möglich, dass eine dieser Bomben heute am Rhein entschärft wird.

Die Seniorin hat nicht viel in die Halle mitgebracht. Ein paar persönliche Dinge, das war's. Das wiederum liegt im Trend, wie Evakuierungsexperte Kraus bestätigt: „Während die Leute vor Jahren noch mit Notfallkoffer samt Sparbuch ihre Häuser verlassen haben, bringen sie heute meist nur noch ihr Handy mit.“ Edith Walper geht jedenfalls davon aus, dass sie schon bald wieder in ihre eigenen vier Wände zurück darf. Die Glocken von St. Peter und Paul geben ihr kurz vor 12 Uhr recht.

 

Y Weitere Bilder gibt es im im Internet unter www.rhein- zeitung.de/neuwied.

RZ Linz, Neuwied vom Montag, 28. November 2011, Seite 13

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